Samstag, 28. Februar 2015

Gedicht #4 DIE HUNDERT MÄNNER VON HASWELL


Im Jahre 1844 kostete ein Grubenunglück 100 Minenarbeiter das Leben. Georg Weerth schreibt in seinem Gedicht von der Armut und der Not der Arbeiter, während seiner Zeit in England. Geboren ist er 1822 in Deutschland und starb 1856 in Havanna Kuba. Er war Schriftsteller, Journalist und Kaufmann.
Das Gedicht ist in fünf Strophen zu je vier Versen unterteilt (Quartett). In jeder Strophe reimt sich der zweite mit dem letzten Vers, ansonsten ist das Reimschema unregelmässig: ABCB/ DEAE/ FGAG/ AHGH/ IJKJ
Das Wort „Haswell“ kommt als identischer Reim ausser in der letzten Strophe vor. Die Kadenz ist bis auf Vers 15 (männlich) immer abwechselnd weiblich und männlich. Das Metrom ist unregelmässig, besteht aber vorwiegend aus dreihebigen Jamben.

Das Gedicht gefällt mir persönlich sehr gut, da die Tragik der Katastrophe in wenigen Zeilen treffend zusammengefasst wird. Sie macht auf das Leid und die grosse Ungerechtigkeit der Arbeiter gegenüber dem Grubenbesitzer aufmerksam. Für mich ist die Sinnlosigkeit in diesem Gedicht die Tatsache, dass die Männer arbeiten gehen, um Frau und Kinder zu ernähren, doch weil die Arbeit so gefährlich ist, sterben sie und sind nicht mehr in der Lage für ihre Familien zu sorgen. Wie paradox ist das?




Die hundert Männer von Haswell,
Die starben an einem Tag;
Die starben zu einer Stunde;
Die starben auf einen Schlag.

Und als sie still begraben,
Da kamen hundert Fraun;
Wohl hundert Fraun von Haswell,
Gar kläglich anzuschaun.

Sie kamen mit ihren Kindern,
Sie kamen mit Tochter und Sohn:
"Du reicher Herr von Haswell,
Nun gib uns unsren Lohn!"

Der reiche Herr von Haswell,
Der stand nicht lange an;
Er zahlte wohl den Wochenlohn
Für jeden gestorbenen Mann.

Und als der Lohn bezahlt,
Da schloss er die Kiste zu.
Die eisernen Riegel klangen,
Die Weiber weinten dazu.

                            -1845

Georg Weerth (1822-1856)

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